Montag, 12. Januar 2015

Die Entscheidung und was ich heute darüber denke.



Kurz nach der Diagnose stand für mich fest, ich will dass dieser Albtraum aufhört und der einfachste Weg ist der Abbruch....
Aber so leicht ist es nicht... Während der ganzen Woche bis zur Geburt gingen mir viele Sachen durch den Kopf.... 
Was passiert, wenn ich das Baby austrage? Gibt es vielleicht doch die Chance auf ein gemeinsames Leben zu 3.? Kann ich mit der Entscheidung leben, mein Baby "umgebracht" zu haben?
Ich habe viel mit meinem Freund und meiner Familie geredet. Eigentlich waren alle der Meinung, es sei das beste, den Abbruch zu machen, aber sie würden auch hinter mir stehen, wenn ich das Baby austragen möchte. 
Mein Freund sagte, dass es für ihn immer schwerer wird Abschied zu nehmen und dass er nicht denkt, dass er es schaffen würde, wenn ich das Baby austrage. Aber auch er meinte er steht zu mir, egal wie ich mich entscheide. Aber alle wareb auch der Ansicht, dass ich nicht stark genug wäre. Ich selbst war auch davon überzeugt, dass ich daran kaputt gehen würde.
Für mich war einfach die Vorstellung, ein Baby auszutragen um es dann ersticken zu sehen einfach zuviel... Ich wollte das meinem Baby ersparen. Ich konnte mir nicht vorstellen, sie leiden zu sehen und es kam mir selbstsüchtig vor, ihr das anzutun. Zudem würden bald alle sehen dass ich schwanger war, Nachbarn, entfernte Bekannte und so weiter und wie sollte ich erklären, dass dieses Baby nicht leben wird...? Und vor allem, wird der Abschied in 4 Monaten denn nicht viel viel schlimmer als jetzt? Kann ich das aushalten, mein Baby in meinen Armen sterben zu sehen? Für mich stand fest, das kann ich nicht aushalten. Und immer wieder der Gedanke, wenn ich die Schwangerschaft jetzt abbreche, dann leidet mein Baby wahrscheinlich nicht so sehr. 
Aber immer wieder kam die Frage auf, was ist, wenn mein Baby eines der wenigen langzeitüberlebenden von sogar einigen Jahren wäre?  Aber viele Ärzte haben mir bestätigt, dass das sehr sehr unwahrscheinlich ist. Ausserdem wäre mein Baby nicht nur körperlich, sondern auch geistig behindert. Es würde nie laufe, reden oder überhaupt irgendetwas können. Und es müsste immer beatmet werden. Ist das ein Leben? Ich wollte das meinem Kind nicht antun. Es leiden zu sehen über Jahre um dann doch eine frühen Tod zu sterben? Unvorstellbar für mich.
Aber die Frage blieb, was ist wenn mein Baby eine dieser Ausnahmen ist? Vielleicht können wir ein oder 2 Jahre haben? Zwar mit einem behinderten Kind, aber das ist doch besser als nichts.... 
Egal wie ich mich entscheide. mir kam alles selbstsüchtig vor. Ich wusste, dass ich immer mit dieser Entscheidung würde leben müssen. Womit kann ich besser leben?
Am Ende dieser Woche stand fest, der Abbruch.... Aber bis zum Schluss waren Zweifel da. 
Warum der Abbruch? Ausschlaggebend war für mich, der Gedanke dass mein Baby dann am wenigsten leiden muss. So wie mir erklärt wurde, stirbt das Baby irgendwann unter den Wehen und schläft friedlich ein. Das kam mir damals weniger qualvoll vor, als nach der Geburt zu ersticken. 
Ausserdem habe ich auch an mich gedacht und auch da stand fest, ich komme besser jetzt damit klar, als in 4 Monaten und ich konnte den Gedanken nicht ertragen, mein Baby in meinen Armen sterben zu sehen. 

So der Stand vor einem Jahr... Heute sehe ich einige Dinge anders. Ist meine Tochter wirklich friedlich eingeschlafen? Ich denke auch so hat sie gelitten. 

Komme ich gut damit klar? Nein... Ich mache mir oft Vorwürfe und der Gedanke über Leben und Tod meiner Tochter entschieden zu haben bzw mich für ihren Tod entschieden zu haben zu einem Zeitpunkt, an dem sie noch leben wollte, macht mich manchmal fertig. Wer bin ich, dass ich das so entscheiden konnte? 
Würde ich wieder so handeln? Ich denke nicht. Aber mir Sicherheit kann ich es nicht sagen. 
Oft denke ich was wäre gewesen, wenn ich meine Tochter nur ein paar Minuten hätte lebend auf dem Arm haben dürfen... Wäre das nicht toll gewesen? Habe ich mir selbst diese Erfahrung genommen? Was würde ich jetzt dafür geben, sie nur einmal atmen gehört zu haben. Oder ihre Bewegungen auf meinem Arm gespürt zu haben? Sie hätte meine Stimme hören können und ich hätte ihr sagen können, wie sehr ich sie liebe. 
Ich frage mich oft, ob sie böse ist, dass ich mich so entschieden habe. Und ob sie vielleicht denkt, dass ich sie nicht lieben würde und nur loswerden wollte. Aber das stimmt nicht. Ich liebe sie und ich hoffe, dass auch sie das weiß. 
Die Zweifel werden wohl immer bleiben. Ich denke zu dem Zeitpunkt war es der richtige Weg. Heute bin ich ein Jahr älter und um viele Erfahrungen reifer und weiß, dass ich auch mit der anderen Entscheidung leben kann, ohne daran kaputt zu gehen. Aber im letzten Jahr habe ich auch viel an Stärke dazu gewonnen. Vor einem Jahr wäre ich wohl wirklich daran zerbrochen. 

Ich möchte auch nochmal klarstellen, dass für mich ein Abbruch auf keinen Fall in Frage gekommen wäre, wenn unsere Tochter eine Chance gehabt hätte. Mit jeglicher Form der Behinderung hätte ich leben können, aber sie auszutragen, nur um sie 10 min später sterben zu lassen, war für mich unvorstellbar. Und von den ganzen Ärzten hat mir keiner Hoffnung gemacht, dass sie länger würde leben können. 
Für mich stand von Anfang an fest, dass ich dieses Kind auch mit Behinderung bekommen würde, aber ein Kind was von Anfang an zum Tode verurteilt ist und sehr wahrscheinlich nichtmal die Schwangerschaft überleben wird? Das konnte ich nicht. Diese Vorstellung war einfach zu schrecklich.

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