Montag, 12. Januar 2015

Der Tag an dem meine Welt zerbrach



Am 07.01.14 war es dann soweit. Zum einen durfte ich wieder halbtags arbeiten und hatte meinen ersten Tag nach langer Zeit. Dieser lief alles andere als gut. Ich weiß noch, ich bin mittags nach Hause gekommen und hab völlig aufgelöst meinen Freund angerufen, weil meine Chefin so blöd zu mir war und mich erstmal 3 Woche zwangsweise in Urlaub geschickt hat. Den Termin beim Pränataldiagnostiker, der auch das 1. Trimesterscreening gemacht hat, war erst abends um halb 7. Also habe ich mir den Tag damit vertrieben, indem ich im Internet nach Babysachen gesucht habe. Irgendwie hatte ich noch gar nichts gekauft und wollte am nächsten Tag damit anfangen, wenn alles gut ist. Kinderwagen standen auf meiner Liste ganz weit oben. Am Ende hatte ich mich schon für ein Modell entschieden und wollte schon fast kaufen...
So langsam hab ich mich auf den Termin gefreut. Ich war ja oft beim Arzt und immer war alles gut ausser einmal. Aber was soll schon sein. Zum Thema "kurzer Oberschenkel" fand ich im Netz nur Trisomie 21 und das wäre für mich kein Grund für eine Abbruch gewesen. 
Als wir dann lange warten mussten und den Aufklärungsbogen unterschreiben mussten, dass mit einem Ultraschall eventuell nicht alles erkannt werden kann, hatte ich wieder ein unglaublich schlechtes Gefühl. Ich hab noch zu meinem Freund gesagt: "Hoffentlich endet dieser Tag besser, als er anfing."
Als der Arzt uns aufrief habe ich vorher 2 glückliche Paare die Praxis verlassen sehen. Wir waren an jenem Tag die letzen. Der Arzt merkte gleich, dass ich sehr nervös war und versuchte die Stimmung zu lockern, indem er versprach gleich nach dem Geschlecht unseres Babys zu gucken, welches bis dahin noch unbekannt war.
Er fing gleich an zu schallen und hat ganz viel gesucht und geguckt und nichts gesagt. Ich dachte er guckt nach dem Geschlecht und konnte es schlecht sehen, aber bald wurde ich doch nervös, weil ich sah, dass er immer wieder den Oberkörper und das Herz schallte und auch die Beine. Irgendwann sagte er dann: "Wir haben ein Problem." Mein erster Gedanken "Er kann nicht gut sehen, weil ich eine riesige Narbe auf dem Bauch habe." Aber nein, was er dann sagte hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen...
"So wie ich das sehe, ist ihr Baby nicht lebensfähig. Ich zeige Ihnen kurz, warum."  Mein Freund saß neben mir und wusste gar nicht, was er sagen sollte und ich konnte nur eins zu ihm sagen: "Es tut mir leid..."
Der Arzt hat uns dann kurz gezeigt, dass der Brustkorb viel zu eng sei und die Lunge keinen Platz hat sich zu entwickeln. Das ist das Problem. Keine Lunge, kein Sauerstoff, kein Leben... Im Bauch der Mutter kein Problem, die Atmet ja für das Baby mit, aber nach der Geburt... Naja dann fragte er ob er weiter schallen solle, oder wir erstmal nach hause möchten. Ich wollte alles sehen. Er zeigte uns dann dann sämtlichen langen Röhrenknochen (u.a. auch der Oberschenkelknochen) zum einen verbogen sind und zum anderen viel zu kurz sind. Unser Baby wurde auf 240g geschätzt und hätte schon knapp 400 haben müssen. Und immer wieder der Brustkorb... Man konnte sehen, der Bauch war normal und an der Stelle, wo die Rippen anfingen, hat man einen Sprung gesehen. Als "Sektkorken" hat er das bezeichet.... Dicker Bauch und ganz schmaler Brustkorb. das Herz war normal groß und hat 2/3 des Platzes eingenommen.
Er sage, dass es wohl eine "thanatophore Dysplasie" sei (Wikipedia Info dazu). Eine spontan auftretenden Genmutation. Sie gehört zu den Skelettdysplasien und ist immer tödlich. Die meistern Kinder sterben entweder während der Schwangerschaft oder Geburt und die, die lebend zur Welt kommen, leben höchstens ein paar Stunden, bevor sie am Sauerstoffmangel sterben. Häufigkeit, ja nach Quelle 1:20000 bis 1:50000. Ich bin eine davon.  
Er hat uns dann erklärt, was wir tun können. Also eine Fruchtwasseruntersuchung zur Sicherung der Diagnose, wobei er sagt, dass die Blickdiagnose eindeutig ein überleben ausschließt. Dann haben wir die Möglichkeit einen Abbruch machen zu lassen, was in dieser Phase der Schwangerschaft bedeutet, dass die Geburt eingeleitet wird und ich das Baby auf natürlichem Weg zur Welt bringe. Ausserdem können wir das Kind auch austragen. 
Er meinte dann noch das diese Krankheit selten ist und er erst einen anderen Fall kennt und diese betroffene Frau hat mittlerweile ein gesundes Kind bekommen. Das wollte ich dann aber gar nicht hören. Eine Entscheidung konnte ich auch nicht treffen. Ich war wie betäubt und wollte nur nach Hause. Im Fahrstuhl der Praxis bin ich schließlich das erste Mal richtig in Tränen ausgebrochen.
Wieder zu Hause erfolgte erstmal eine Endlosschleife an Telefonaten und weinen und wieder telefonieren und wieder weinen. Ein Handeln war nicht möglich. Eine Entscheidung treffen schon gar nicht. Aber immer wieder drängte sich ein Gedanke ganz weit nach vorne... "Ich möchte das so schnell wie möglich beenden..."  Nach endlosem weinen haben wir auch immer mal wieder im Internet geschaut, was diese Krankheit bedeutet. Irgendwann sind wir vor lauter Erschöpfung eingeschlafen...

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